Schleiereulen, Fledermäuse und sogar Mauersegler - die Innenstadt ist voller Leben. Diesem Gedanken will ein Naturschutzprojekt Rechnung tragen, das genauso effektiv wie einfach ist. Und außerdem übertragbar wäre auf andere Städte und Dörfer im Kraichgau: Alte Trafostationen könnten zu Artenschutztürmen umfunktioniert werden, sagen die Naturschützer Anja Hoffmann vom NABU und Mathias Hummel vom Vogelschutzbund Kraichgau.
Welches Leben sich dort einstellt, selbst wenn man nicht oder nur wenig nachhilft, beobachtet Anja Hoffmann in der Uhlandstraße - mitten in der Gartenstadt - schon ihr ganzes Leben lang. Vom Balkon aus hat sie den Umspannturm in der Friedrich-Ebert-Straße im Blick; dort lebt eine Mauerseglerkolonie. Und dass zusätzlich Fledermäuse abendlich durch das Gebiet flattern, Igel sich auf dem mit Büschen bewachsenen Grundstück heimisch sind, zeigt "dass Bedarf nach solchen Inseln besteht."
An die 30 solcher Türme gibt es im Stadtgebiet; konkret ins Auge gefasst haben die Naturfreunde fürs erste fünf: Besagten Umsetzer in der Gartenstadt, im Sinsheimer Wiesental, im Steinsfurter Ansbachpark, in der Ehrstädter Martin-Staehle-Straße und am Reihener Friedhof, an dessen Turm sogar schon ein Turmfalkenkasten hängt. "Nicht hopp-la-hopp, sondern nachhaltig" möchte Anja Hoffmann vorgehen, hat konkrete Vorstellungen und schon erste Kontakte geknüpft. Außerdem existiert ein Konzept, mit welchen Maßnahmen welcher Lebensraum an welchem Turm verbessert und neu geschaffen werden könnte. Oft, nicht immer, handelt es sich dabei um mit relativ geringem finanziellen und technischen Aufwand herstellbare Konstruktionen von Nistkästen, wie Fledermaus-, Falken- und Dohlenkästen. Ein Teil der Türme ist schon in früheren Jahren mit Nisthilfen für Sing- und Greifvögel ausgestattet worden.
Mehrere davon finden in der Regel Platz an einem solchen Turm, der dadurch zu einem artenreichen Lebensraum wird, und werden meist außen angebracht, da der Innenraum meist mit empfindlicher Technik belegt ist. Sei dies nicht der Fall, schildert Anja Hoffmann, ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten. Derzeit werde geprüft, wo dies - außer des leeren Turms in Ansbachpark - noch der Fall ist. Bei Bauten mit Grundstück und Vegetation bietet sich außerdem eine Aufwertung durch besondere Gehölze, Einsaat von Blütenmischungen und Insekten-Hotels an, die von schulischen oder Anwohner-Patenschaften gepflegt werden könnten.
Angedacht sei, mehrere Schulen für die Herstellung zumindest eines Teils der Kästen zu gewinnen, etwa die Abteilung Holz an der Friedrich-Hecker-Schule, das Jugendhaus oder auch eine Bürgerinitiative Ansbachpark. Alle haben Bereitschaft signalisiert, berichten Anja Hoffmann und Mathias Hummel aus mehreren Gesprächen. Auch das Grünflächenamt prüft derzeit, wie die Stadt das Vorhaben unterstützen kann. Etwa durch Bereitstellung von Hubsteigern für die Anbringung der Kästen; zwei der Grundstücke sind im Besitz der Stadtwerke.
Jetzt werden Sponsoren gesucht, die durch finanzielle Mittel, wie auch durch ins Konzept passende Ideen jedweder Art, das Projekt aktiv unterstützen. So ließe sich eine Menge bewirken. Eine Vorausberechnung hat ergeben, dass über 20 Kästen und Nisthilfen an den fünf Türmen Platz finden können, was insgesamt rund 3500 Euro kostet. Kästen Marke Eigenbau und solche, die gekauft werden müssen, halten sich hierbei zahlenmäßig in etwa die Waage.
Für das Projekt Artenschutztürme Sinsheim haben die Schreinerlehrlinge der einjährigen Berufsfachschule Holztechnik der Friedrich-Hecker Schule sowie die Schüler der Berufsfachschule Wirtschaft der Max Weber Schule mit viel Spaß und Engagement ihr handwerkliches Geschick unter Beweis gestellt und Nisthilfen für gefährdete Vögel und andere Tierarten gebaut.
Das Projekt Artenschutztürme hat zum Ziel, die Umspannungs- bzw. Trafotürme des Energieversorgungsunternehmen EnBW so umzugestalten, dass sie Rückzugs- und Nistmöglichkeiten für gefährdete Tierarten bieten. Viele Arten wie Mauersegler, Fledermaus, Haussperrling, Schleiereule und Turmfalke sind durch zunehmenden Abriss alter Gebäude, Gebäudesanierungen und Dämmung einem hohen Bestandsdruck ausgesetzt. Etliche dieser Arten stehen auf der Roten Liste. Durch die zusätzliche Schaffung von Bruthöhlen, -nischen, und -plätzen können diese Arten Möglichkeiten geboten werden, den Fortbestand zu sichern. Die maßgeblichen Koordinations- und Projektpartner, Bernhard Münch von der Grünflächenabteilung der Stadt Sinsheim, Ludwig Schilling von der EnBW, Matthias Hummel von Bund für VogelschutzKraichgau e.V. sowie Anja Hoffmann vom Naturschutzbund NABU, haben bereits im vergangenen Jahr fünf Trafotürme identifiziert, die sich für eine Nutzung eignen könnten.
Nun wurde in Zusammenarbeit mit der Berufsfachschule Holz der Klasse 1 von den Technikoberlehrern Frank Schüssler und Bernd Roller, Friedrich Hecker Schule Sinsheim, Abteilung Holztechnik, und der Biologieklasse von Hubert Brandt von der Max Weber Schule, der erste Trafoturm in der Sinsheimer Gartenstadt in Angriff genommen. An zwei Schultagen wurde gebohrt, geschraubt und gehämmert, um fachgerechte Nisthilfen für Mauersegler (4 x),Stare (3 x), Sperlinge (2 x), Rotschwänze (4 x) und Fledermäuse ((3 x) zu zimmern. Da die Grünfläche rund um den Turm ebenfalls in Artenschutzmaßnahmen mit einbezogen wird, wurde zugleich auch einimposantes Insekten-hotel für Wildbienen von den Schülern gebaut. Die Materialauswahl sowie Nistkastenplanung erfolgte unter fachlicher Anleitung des Vogelschutzbundes. Das Baumaterial wurde von den Lehrern der Abteilung Holztechnik der Friedrich Hecker Schule beschafft und die Materialkosten wurden von der EnBW übernommen. Prozessgestaltung un -koordination erfolgte durch den NABU.
Am 21. März war nun der große Tag der Anbringung der Nisthilfen. Mit weiterer Unterstützung der EnBW, dem Einsatz eines großen Hubsteigers und unter den Augen der Schüler wurden die Kästen an die Außenwände des Trafoturmes in der Gartenstadt, Friedrich Ebert Straße 46 angebracht. Jetzt kommt hoffentlich bald der Frühling und die Vögel können Einzug in ihr neues Quartier nehmen.